Interview Schweizer Jäger

Kürschnerin aus Leidenschaft. Für Anja Marquardt ist ihr Beruf eine Berufung, den sie mit Passion ausübt.

Quelle: Schweizer Jäger 12/2022
Cover Schweizer Jäger Ausgabe 12/22

Interview mit Susanne Emmenegger, Schweizer Jäger 12/2022

Der langweilige Vorgarten mit akkurat kurzgeschnittenem Rasen, keine Deko – das Haus in Meggen, hoch über dem Vierwaldstättersee irritiert mich. Aus einem hochmodernen, leeren Büro werde ich kritisch beobachtet – lebt so eine Künstlerin, die mit Naturmaterialien arbeitet? 

Doch dann, ein paar Treppenstufen weiter, beim oberen Eingang des Doppelhauses, steht eine blühende Hortensie neben einem Shabby-Tischchen. Eine Fuchskarte mit ein paar lieben Worten heisst mich willkommen. Hier bin ich richtig, bei Anja Marquardt, einer quirligen fröhlichen Frau, die man einfach gleich ins Herz schliessen muss. 

 

Wie auch bei den anderen Kürschnerinnen, die ich kenne, waren da am Anfang die Kaninchen der Familie. Die ursprünglich aus Deutschland stammende Mutter zweier Teenager war schon sehr früh vom Material Pelz fasziniert. Mit elf Jahren besuchte sie zusammen mit ihrer Mutter einen Fellnähkurs. Zudem war der Vater Metzger und sie hatte keine Berührungsängste. Anja machte die Ausbildung zur Kürschnerin und schloss diese mit Auszeichnung ab. Nach der Meisterprüfung arbeitete sie unter anderem in Heimarbeit an der Kollektion der Firma Akris in Zürich. Berufsbegleitend hat sie ein Studium im Bereich Fashiondesign gemacht. Diese Berufskombination spiegelt sich in ihrer Kollektion. 

 

Im Juli 2002 eröffnete sie das Pelzatelier in Meggen. Sie empfängt die Kundschaft bei sich zuhause im Atelier. Professionalität und Diskretion sind sehr wichtig – ist Pelz doch kein Alltagsartikel und die Produkte, die sie fertigt, oft exklusiv und sehr hochpreisig – so bietet Anja auch Beratung bei der Kundin zuhause an. Nicht selten werden ihre Kreationen an Orten wie Gstaad oder St. Moritz ausgeführt. 

 

Anja Marquardt legt hohen Wert auf die Pelzqualität. Sie verwendet auch Zuchtpelze, sagt aber ganz klar, dass ein schönes, hochwertiges Fell gute Haltung und gute Gesundheit voraussetzt – sowohl bei der Zucht als auch bei der Jagd. Wegen dem Tierwohl weichen viele Kunden auf Jagdprodukte aus. So verarbeitet die Kürschnerin unter anderem Marderhunde und Waschbären aus Deutschland. Ihr Fellsortiment bezieht sie vom deutschen Fellhändler ihres Vertrauens. So gelangen auch wieder Schweizer Pelze in die Produktion, die dieser zuvor aufgekauft hat. 

 

Nebst einer grossen Auswahl an von Hand hergestellten Pelzaccessoires fertigt Anja Marquardt exklusive Einzelstücke. Zudem bietet sie Umarbeitungen und Reparaturen an Pelzen an, aber auch Reinigung und Überwinterung der wertvollen Stücke. Ihr Atelier ist eine wahre Schatzkammer; Bälge in jeder Farbe, seidig weich, edle Kleidungsstücke und Accessoires, die grossen Arbeitstische, geheimnisvolle Arbeitsgeräte – und doch zeigen die fertigen Teile, dass hier mit grösstem Respekt gegenüber dem Naturprodukt Fell gearbeitet wird. Es wird alles verwendet. Selbst Fuchsohren werden zu einem unglaublich weichen, samtigen Futter einer Lodenjacke verarbeitet. 

 

Das Sorglos-Paket für den Jäger oder Kaninchenzüchter „vom Rohfell zum fertigen Produkt“ rundet die Angebotspalette ab. Bis zum 1. März können getrocknete Rohfelle zum Lidern angemeldet und zugestellt werden. Ende Oktober können die fertig geliderten Felle wieder in Empfang genommen werden oder man lässt sie gleich zu einem tollen Stück verarbeiten. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, sei es eine Mütze, ein gefütterter Ansitzsack, ein Muff, eine Decke. Alles ist möglich. Und Anja garantiert, dass man genau seine Pelze wieder zurückbekommt. 

 

Das Handwerk liegt in der Familie. Anjas Sohn wurde an einem Lehrlingswettbewerb „Art in Wood“ mit dem Sonderpreis für Gestaltung ausgezeichnet. Sein Sideboard „Fox in the Box“ aus Kirschholz, Jérôme lernte Schreiner, ist auf der Frontseite mit einem Rotfuchskopf aus über 60 Rotfuchspfoten verziert. Die Idee und Realisierung entstand in Zusammenarbeit mit dem Pelzatelier Marquardt. 

 

Anja arbeitet nicht nur in ihrem Atelier in Meggen. Sie ist auf Weihnachtsmärkten unterwegs und betreibt einen Online Shop. Jäger können sie zudem an der neuen Messe Monatura (vormals Fischen-Jagen-Schiessen) vom 23.-26. März 2023 in Bern besuchen. Bei Anja Maquardt kann man auch Fellnähkurse besuchen, die sie als Kursleiterin für Fellnähen Schweiz leitet.

 

Kontakt: 

Pelzatelier Marquardt, Anja Marquardt

Rütliweg 9, 6045 Metten

Te. 041 377 23 43, kontakt@pelzatelier.ch

www.pelzatelier.ch

Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten. Wenn Sie auf der Seite weitersurfen, stimmen Sie unserer Cookie-Nutzung zu. Datenschutz